In vino veritas

Sonntag, 05.10.2014

"Im Wein liegt die Wahrheit." - ein bekanntes Sprichwort, und es hat so viel Wahrheitsgehalt! Erst letztes Wochenende durfte ich mich davon überzeugen, dieses gleich noch einmal.

Am Samstag vergangener Woche war ich mit einem deutschen Au-Pair in Järvenpää unterwegs. Es war ihr letzter Tag in Finnland und das Wetter war herrlich, sodass wir auf die glorreiche Idee kamen, uns an den wunderschönen See zu setzen und die Luft und einen Cidre zu genießen. Das klappte auch ganz gut, bis zu dem Moment, als wir das Ziel dreier junger Männer mit einer Gitarre wurden. Wir waren einigermaßen verwundert, schließlich war das die erste Begegnung mit echten männlichen Finnen außerhalb unserer Gastfamilien! Sie stellten sich uns vor und fragten uns, ob wir uns zu ihnen setzen wollten. Darauf hatten wir keine Lust. Also setzten sie sich auf die nächstgelegene Bank, packten das Instrument aus und spielten ein paar finnische Songs, natürlich mit Gesang. Wir fanden heraus, dass sie eine eigene Band sind und das auch ihre selbstgeschriebenen Songs waren. Wir waren beeindruckt!

Irgendwann konnten wir nicht mehr wiederstehen und setzten uns auf wiederholte Einladungen doch zu ihnen. Die Weinflasche wurde rumgereicht, aber wir lehnten ab. Es reicht, wenn drei Leute betrunken sind. Da müssen wir nicht noch mitmachen. Langsam rückte der „Chef“ der Truppe uns immer mehr auf die Pelle. Zuerst umarmte er uns, dann lud er uns in seine Sauna ein und schließlich drückte er meiner Freundin einen Handkuss auf. Sie fand’s gruselig, sodass wir die Plätze tauchen mussten. Von da an wurde jeder Versuch, mich irgendwie anzufassen, mit einem Ellenbogenstoß und den Worten „Mene pois“ (Geh weg!) belohnt. Es wirkte Wunder! Irgendwann verschwanden sie von allein.

Gestern passierte mir ähnliches mit Wicki: Wir waren Gäste beim „Oktoberfest“ in Nurmijärvi. Tatsächlich gab es deutsches Bier, Essen, was ursprünglich aus Deutschland stammt und natürlich Musik. Kurz nachdem wir uns einen Tisch gesucht hatten, setzten sich zwei Männer gegenüber von uns. Irgendwie entstand aus dem legendären „Moi“ ein Gespräch, was urplötzlich eine Richtung annahm, die Wicki und ich nicht verstanden. Vielleicht war der Geräuschpegel um uns herum zu laut, sodass wir den Humor nicht hören konnten, aber nach einer Weile kamen sie einfach komisch rüber. Sie verabschiedeten sich, ebenso wie die Finnen am letzten Wochenende, aus heiterem Himmel (zum Glück), doch der eine bestand auf eine Umarmung! Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben Menschen umarmt, die ich nicht kannte oder die ich nicht sympathisch fand, aber alles tut man schließlich zum ersten Mal. Wir kamen nicht drum herum und waren heilfroh, als sie endlich weg waren. Sie waren uns schlichtweg zu alt (um die 40?) und sahen zu gefährlich aus!

Natürlich haben wir unseren Gasteltern von der seltsamen Begegnung erzählt, da der eine Wicki, der andere mich unentwegt angestarrt hatte, was uns einfach verwirrte. Meine Gastmutter dazu: „Ja, so sind sie. Im nüchternen Zustand sind sie so schüchtern, dass sie sich nicht trauen. Sind sie aber besoffen, versuchen sie die ganze Liebe zu bekommen, die ihnen sonst nicht zuteil wird.“

Karaoke auf Finnisch. Olen suomalainen!